"Auf seine Weise" von julakim, julakim Trio
Das nächste Release ist bereits für den 27. Dezember geplant, aber wir werfen hier noch kurz einen Blick auf den Vorgänger "Auf seine Weise", der die leise Existenz, die im Gegensatz zur lauten und durchsetzungsfähigen Persönlichkeit steht, beschreibt.
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Picture by LarsLückenfüller |
Wer kennt sie nicht, die laute, durchsetzungsfähige Persönlichkeit, die Raum einnimmt und andere unterdrückt, wobei Widerspruch ungehört bleibt und Hierarchien sich bilden. Richtet man seine Aufmerksamkeit auf die Stille, dann erkennt man die Schönheit des Seins, die die laute Welt oft überhört.
Wahre Freiheit und Identität blühen im Raum der Stille, jenseits der Begrenzungen äußerer Formen und Normen. Es ist in der leisen Existenz, dass wir unser wahres Selbst finden und das unendliche Potenzial der Selbstveränderung und des Wachstums entfalten. Möge die sanfte Melodie des Lebens uns daran erinnern, dass Stärke nicht immer laut sein muss und wahres Verstehen oft im Unausgesprochenen liegt.
Musikalisch brechen die Drums das Schweigen und bereiten den Weg für die leisen, aber bestimmten Vocals. Der Lyrik folgend wird die Stimmung brachial, roh und fordernd, man kann den Gipfel schon sehen, doch dann beschließt man, umzukehren. Warum? Das darf jeder selbst interpretieren. Mit diesem gewählten Arrangement unterstützt Julakim ihre Aussage enorm und zeigt mit "Auf seine Weise" eine weitere Seite ihres Schaffens.
Q&A
Das Album „bLuzLand“ ist jetzt veröffentlicht und auf Vinyl sowie Kassette erhältlich. Wie groß ist dein Stolz darauf, gerade diese speziellen Medienformate gewählt zu haben, die heute als etwas Besonderes und Einzigartiges gelten?
Ich lebe davon, Handfestes zu schaffen und mit dem Fassbaren das Unfassbare zu ermöglichen. Die Streaming-Welt ist mir zu flüchtig, sie nimmt die Magie von Konzeptalben. bLuzLand brauchte ein Medium mit zwei Seiten, um die Dualität des Albums widerzuspiegeln: Licht und Schatten, Nähe und Distanz, innere und äußere Welt. Es geht darum, Gegensätze nicht nur zu denken, sondern zu fühlen – und sich das Schillern zu erlauben.
„Aus dem Cover flutscht ein gelber Karton. Eine Seite vollflächig schwarz bedruckt, darauf leuchtet gelb bLuzLand. Die andere Seite: gelb mit schwarzen Credits. Dahinter: die schwarze, antistatische Hülle. Langsam ziehe ich die Platte heraus – transluzentes Gelb, schimmernd im Licht. Bei der Kunstedition sogar mit schwarzen Flimmern im Gelb, wie kleine Schatten, die das Licht durchziehen. Einzigartig. Plattenteller an, die Nadel senkt sich. Knistern. Die schwarze Seite beginnt. Hypnotisches Schlagzeug nimmt sich Raum. Eine Stimme – leise, durchdringend – haucht deutsche Wörter. Nicht sanft, sondern präzise. „Auf seine Weise. Eben.“ Kaum habe ich die Ohren gespitzt, bricht eine verzerrte Gitarre durch, wuchtig, unbeirrt. Alles baut sich auf – bis zum Höhepunkt, der nicht kommt! fast unhörbar, und wieder ist da: der hypnotische Beat, die Stimme. Keine Auflösung, nur Raum, unendlich.
Die gelbe Seite? Keine Chance, aufs Sofa zu kommen. Der Groove elektrisiert, rockige Gitarre schüttelt den Raum auf, Offbeat, treibend, dabei smooth. Rhythmen wechseln, alles bleibt federnd. Das Wohnzimmer wird zum Tanzsalon“
Ich freue mich sehr, dass bLuzLand so stimmig geworden ist. Für die Kunstedition habe ich jedes Cover in Gelb und Schwarz von Hand gestaltet, um die Vielfalt und Einzigartigkeit zu betonen.
Ich glaube daran, dass die physische Welt uns aktiviert. Wenn wir etwas in den Händen halten, entsteht eine tiefere Verbindung. Social Media bombardiert uns, zieht Energie ab. Aber ein Vinyl? Eine Kassette? Sie laden uns ein, innezuhalten. bLuzLand ist eine sinnliche Reise durch Musik und Kunst, die die Menschen dazu inspirieren soll, sich selbst zu spüren und zu schillern.
Sie enthält auch eine spezielle Landkarte. Für mich stellt die bLuz?-Landkarte ein Modell der spirituellen Entwicklung dar, das die Dualität von Licht und Schatten sowie, unter anderem, das Spannungsfeld zwischen Innen und Außen erfahrbar macht. Würdest du dieser Interpretation zustimmen?
Dem kann ich zustimmen, wobei ich bei Spiritualität immer vorsichtig bin, da es schnell den Eindruck erwecken kann, als könnte man die ‚Wahrheit‘ oder das ‚ewige Licht‘ erreichen. Die bLuz?-Landkarte ist ja einerseits Liner Notes mit den Liedtexten, andererseits auch ein dadaistisches Gesellschaftsspiel, das man alleine, zu zweit oder in der Gruppe spielen kann. Dada versuchte, durch Spiel mit dem Absurden die konventionellen Wahrnehmungen und Denkweisen zu (zer-)stören, um Raum für einen neuen gesellschaftlichen Ausdruck zu schaffen.
Für mich geht es nicht darum, eine festgelegte Wahrheit zu vermitteln. Das erinnert mich an den Monte Verità, der als ein „Wahrheitsberg“ der Dada-Bewegung beansprucht wurde. Aber welche Wahrheit bitte? Das stört mich generell, weil wir immer mit parallelen Wahrheiten und Realitäten leben müssen. Wir können uns ihnen nur annähern und uns damit auseinandersetzen.
Ob das nun spirituell oder philosophisch ist, ist mir nicht so wichtig. Viel wichtiger ist mir, ein Angebot zu machen, das uns in positive Räume bringt. Meine Devise als Teenager war: ‚Filling the negative space positively.‘ Es geht um etwas sehr Nahbares, bei dem jeder mitmachen kann – es ist nicht intellektuell, nicht elitär und nicht belehrend. Es soll einfach aktivieren und Spaß machen. Meine Musik ist ein Angebot vielfältiger Stile, Sprachen und Stimmungen. Was jeder dann für sich herauszieht, ist sozusagen ein kostenloses Geschenk, wenn man sich darauf einlässt und ins Ungewisse, ins Schwarze springt.
Auch ermöglicht die Landkarte eine tiefere Verbindung zur Musik und den dahinterliegenden Philosophien, die auch eine Reise zu sich selbst darstellt. Inwiefern glaubst du, dass man einen anderen Menschen wirklich verstehen kann, wenn man sich selbst nicht vollständig kennt?
Ich finde es schwierig, mich selbst vollständig zu kennen. Ich finde es schön, mich immer wieder neu kennenzulernen. Oft nehmen wir uns im Spiegel der anderen wahr. Durch meine Reisen und das Leben im Ausland hatte ich anfangs ein Vakuum, keine vorgefertigten Bilder von Familie oder Kontext – ich war allein, und die Menschen mussten spontan auf mich reagieren. Das ist immer wieder ein sehr bereichernder Zustand!
Ich möchte auch dafür plädieren, dass wir den anderen nicht immer vollständig verstehen müssen. Viel wertvoller finde ich es, den anderen wahrzunehmen, zu spüren und ihm Raum zu geben, sich zu zeigen, sich zu ändern. Dieses ständige Interesse und die Neugierde an der anderen Person sind für mich das, was den anderen lebendig hält. ‚Ich hab dich erkannt‘ bedeutet oft, dass die Person in unserer Wahrnehmung überflüssig wird – aber die fortwährende Neugier ist das, was uns wirklich lebendig hält. Dafür steuert die bLuz?-Landkarte Impulse bei.
Die Neugierde als zentrales Konzept in der bLuz?-Landkarte impliziert eine didaktische Strategie, die darauf abzielt, die künstlerische Wahrnehmung und das kreative Denken der Teilnehmer zu fördern. Durch die spielerische Exploration und Selbstreflexion werden persönliche Grenzen herausgefordert und ästhetische Räume geschaffen, in denen das Schöne einen größeren Stellenwert erhält. Glaubst du, dass die Neugierde der Menschen, unabhängig von ihrem Alter, im Laufe der Zeit nachgelassen hat, und sie dadurch weniger Erfahrungen in Bezug auf kreatives Schaffen und das Ausloten von Grenzen machen?
Neugier ist für mich eine zentrale Kraft. Die Gesellschaft fordert immer mehr fertige Lösungen, und das gefährdet unsere Kreativität. Ich glaube an einen flexiblen, offenen Ansatz. Meine Musik soll dazu anregen, aus gewohnten Mustern auszubrechen und mit neuen Perspektiven zu experimentieren. Das julakim Trio, ein Powert Trio aus Bass, Schlagzeug und Gitarre, verführt mit einer fantastischen Jonglage an Rhythmen, Harmonien, Atmosphären, Tonalitäten und Volumina, dass konventionelle Gesetzmäßigkeiten hinterfragt und gleichzeitig (seine) Neugierde immer wieder neu befeuert. Bei jedem Titel ist die Neugierde da, welche Stilmittel wohl hier am sinnvollsten und überhaupt notwendig sind – und was wir wieder streichen können. Da gibt es nie fertige Lösungen – außer, dass wir unser Tun hinterfragen und intuitiv es unterstützen bzw. positiv wahrnehmen statt es zu kritisieren und auszuschalten, bevor es sich überhaupt zeigen konnte.
Diese nachlassende Neugierde, finde ich, ist auch in der Musikbranche erkennbar. Was war für dich der letzte bedeutende Aha-Effekt in der Musik, bei dem du dachtest, "Das ist wirklich etwas Neues und Innovatives"?
Ich finde es spannend, wie Künstler wie Ren Gill und Sofia Isella Minimalismus nutzen, um ihre Botschaften kraftvoll zu vermitteln. Die Musik, die ich schätze, hat diese Fähigkeit, durch Einfachheit und Präzision eine tiefere emotionale Wirkung zu entfalten.
Anfangen möchte ich mit Hi Ren von Ren Gill – ein Lied, das die Dualität von Licht und Schatten auf beeindruckende Weise thematisiert. Dieser innere Dialog zwischen einer dunklen, destruktiven Stimme und einer hoffnungsvollen, lichten Seite trifft genau den Kern dessen, was mich als Musikerin fasziniert.
Alles ist auf das Wesentliche reduziert – und genau deshalb so kraftvoll. Ren Gill setzt die unterschiedlichen musikalischen Stile gezielt ein: zartes, fast zerbrechliches Gitarrenspiel, das sofort eine intime Atmosphäre schafft; dann explosive Rap-Passagen, in denen die Worte wie Gedankenstürme auf einen einprasseln; gefolgt von ruhigeren, gesungenen Abschnitten, die Raum für Melancholie und Hoffnung lassen. Dazu die Pausen – Momente der Stille, die den inneren Dialog greifbar machen. Und dann das Outro – es hat mich sprachlos, aber zustimmend zurückgelassen. Genau das ist es: ein Tanz zwischen Licht und Schatten, keine Schlacht, sondern eine ewige Bewegung zwischen Gegensätzen.
Sofia Isella setzt präzise sehr verschiedene Mittel ein, um ihre Botschaft zu verstärken – etwa den gekonnt inszenierten Bass und die Verwendung von Künstlicher Intelligenz für eine Männerstimme, die ironisch patriarchale Strukturen kommentiert. Das Musikvideo, mit seiner zentralen, sehr hellen Lichtquelle, verstärkt diese Themen noch und symbolisiert den übermächtigen Blick der Gesellschaft auf Frauen im Rampenlicht oder, wenn sie aus diesem herausfallen.
Auch auf dem Album ist der Titel "Auf seine Weise" zu finden. Was oder wer diente dir als Inspirationsquelle für dieses Stück?
„Auf seine Weise“ ist für mich ein sehr persönliches Lied, das tief in mir geschlummert hat, bevor es während meiner ersten Tournee in Rio de Janeiro 2014 endlich herausbrechen konnte. Es beschreibt ein Leben, das nicht laut sein will – ein Sein auf leise, eigene Weise, ohne sich verdrängen oder überrennen zu lassen.
Es ist ein Protestschrei, der mein Innerstes auf sehr wahrhaftige Weise nach außen trägt. Es geht um das Unverständnis, warum wir uns anpassen sollen, obwohl es eigentlich nicht stört – es ist einfach nur anders. Diese Einladung oder Erlaubnis, auf uns „einzuhauen“ oder es sogar auszumerzen, trifft dann auf noch mehr Unverständnis bei mir. Der Unterschied zwischen Chaos und Kosmos spielt dabei eine große Rolle. Der Kosmos hat seine Ordnung, doch oft verstehen wir diese Ordnung als Chaos. Für mich ist diese scheinbare Unordnung elementar, denn sie lässt Raum für alles – Dinge können nebeneinander existieren, sich kreuzen und beeinflussen, ohne dass etwas unterdrückt wird. Es ist ein Raum ohne Hierarchie. Genau diese Freiheit wollte ich ausdrücken, als ich mit meiner Musik begann. Viele sagten mir: „Glaub nicht, dass du berühmt wirst.“ Doch darum geht es nicht, sondern einfach darum, mich selbst auszudrücken, mein Sein und meine Haltung ohne Beschnitt zu zeigen.
Am Ende des Liedes: die Stimme leise, fast endlos, fast lautlos – und durchdringend. Und genau das ist es, was für mich zählt: der unermüdliche Ausdruck, der in seiner Reinheit und Wahrheit nichts anderes will, als sich zu zeigen.
Wie gestaltet sich dein Zeitplan in den verbleibenden Wochen bis zum Jahreswechsel?
Nach meinem intensiven Geburtsmonat November, mit dem Release meines Albums und der Feier zum 11-jährigen Jubiläum, werde ich mich erstmal etwas erholen. Danach geht es am 27. Dezember 2024 weiter mit dem nächsten Release von „TRÊS“. Parallel arbeite ich an der Webseite bLuzLand.info, die geheime Schatzkammer bLuz. Es wird ein schillerndes Ende des Jahres mit weiteren Reflexionen, und ich freue mich, die Reise mit Euch fortzusetzen!
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